November 8, 2017

Interview mit einem Blogger

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Seit 2009 befinden wir uns in einem Bullenmarkt mit ständig steigenden Kursen. Seitdem gab es auch keine größeren Korrekturen, wo die Kurse in einem Jahr mal mehr als 20 % abgesackt sind. In der Zeit des Bullenmarktes von 2009 bis jetzt sind allerdings viele Neuinvestoren in den Aktienmarkt eingestiegen, die auch noch nie einen richtigen Crash wie 2000/2001 oder 2008/2009 erlebt haben. Ich selbst bin ja auch erst seit knapp 1,5 Jahren an der Börse aktiv und habe daher bisher nur steigende Kurse erlebt. In solchen Zeiten ist es natürlich leicht seine Investments zu halten und immer weiter zu investieren.

André Kostolany bezeichnet in seinem Investmentklassiker „Die Kunst über Geld nachzudenken*“ an der Börse gewonnenes Geld auch als Schmerzensgeld. Zuerst musst Du die Schmerzen aushalten, dass Dein Vermögen in einer Krise enorm zusammenschmilzt und dann kommt das Geld als Belohnung. Ohne jemals einen Crash selbst erlebt zu haben, können wir uns wahrscheinlich kaum vorstellen, wie schwierig es ist unter solchen Bedingungen weiter an Aktien zu glauben und weiter zu investieren.

Genau aus diesem Grund möchte ich in dieser kleinen Artikelserie erfahrene Investoren, die bereits mindestens einen Crash mitgemacht haben, zu ihren Erfahrungen und Learnings aus dieser Zeit interviewen. Ich bin sehr froh für das heutige Interview Alex von Reich mit Plan als Gast gewonnen zu haben.

Stell Dich doch bitte meinen Lesern kurz vor:

Alex: Hallo Dominik. Ich betreibe seit 2009 meinen Finanzblog Reich-mit-Plan.de und im Jahr 2014 habe ich meinen aktiven Hamsterrad-Job an den Nagel gehängt. Seitdem bin ich finanziell frei, denn ich kann von meinen passiven Erträgen sowie meinem Online-Business leben.

Seit wann bist Du an der Börse aktiv? Was waren die ersten Erfahrungen mit der Börse und Deine ersten Aktien?

Alex: Mein erstes Finanzprodukt war eine fondsgebundene Rentenversicherung. Die habe ich zu Beginn meiner Ausbildung (1994) abgeschlossen. Vielmehr wurde sie mir als die eierlegende Wollmilchsau empfohlen. Nach ein paar weiteren Vermittlungen von hochgradig unrentablen Finanzprodukten, habe ich mich selbst um das Thema Geldanlage gekümmert und mir pünktlich zum Neuen Markt die nächste Watschn abgeholt. Das war mein erster richtiger Crash.

Viele Neuinvestoren sind so jung, dass sie den Bankencrash und die Pleite von Lehman-Brothers gar nicht so aktiv mitbekommen haben. Wie kann ich mir als Junginvestor die Zeit des Aktiencrashs vorstellen (z.B. Nachrichten)? Welche Auswirkungen waren zu sehen?

Alex: In der Tat ist es wirklich so. Wo man steht und geht trifft man auf eher unerfahrene Anleger. Die erfahrenen Anleger sind aber auch da. Sie warnen oft oder streuen ihr Vermögen in verschiedene Anlageklassen. Sie gehen bedacht vor, haben keine Eile und können warten, weil sie wissen, dass es sich lohnen wird. Nur sind sie es leid, so laut zu schreien, dass auch der letzte Neuinvestor ihnen genau zuhört.
Ein Crash ist nicht immer gleich. In meiner Wahrnehmung war der Neue Markt, die Finanzkrise oder auch das Drama von Fukushima in der Praxis immer ein wenig anders. Klar, der Markt rauscht mehr oder weniger schnell nach unten. Aber entscheidend ist immer der Grund und wie (un)berechenbar die Situation ist. Es sind aber meistens viele Tage und Wochen dabei, in denen man fast den Glauben verliert, wenig Motivation aufbringen kann und sich im Nachhinein fragt, wie man das emotional überhaupt durchgestanden hat.

Bist Du von der Krise überrascht worden und wie hast Du dann gehandelt?

Alex: Wenn man ehrlich ist, kündigt sich ein Crash (Katastrophen wie Fukushima mal außen vor) in der Regel durch etliche Warnlampen an. Man will die Anzeichen meist nicht sehen und lässt sich von der Euphorie treiben. So ging mir das früher auch. Ich wollte nur sehen und hören, was mir mein grünes Depot jeden Tag anzeigte. Vorsichtsmaßnahmen wie Diversifikation, Cash-Aufbau oder Umschichtungen waren mir nicht wichtig. Heute, erfahrener durch mehrere große und auch kleine Crashs, kann ich damit sehr gut umgehen. Ich warte förmlich auf solche Tiefpunkte um mit meinem Regelwerk dann Dividendenperlen einzusammeln.

In Zeiten von steigenden Aktienmärkten ist es ziemlich leicht eine Buy-and-Hold-Strategie zu verfolgen und ganz rational zu handeln. Welchen Einfluss hatten bei Dir die Emotionen in dieser Zeit? Konntest Du (noch) rational handeln?

Alex: Die Buy & Hold Strategie erlebt doch erst so richtig ihre Entfaltung, wenn man sie gerade in Crashphasen anwendet. Klar, die Depotwerte sind blutrot im Minus, aber mit der richtigen Strategie, hat man gleichzeitig für ausreichend Cash gesorgt. Dieses muss dann, entgegen jeder emotionalen Vernunft, gerade dann investiert werden, wenn der Großteil der Marktteilnehmer alles zum Fenster rausschmeißt.

Früher konnte ich das auch nicht. Umso wichtiger ist es, dass man sich eine Strategie zurechtlegt. Damit ist nicht gemeint, dass man überall rumerzählt, dass man die Dividenden-Strategie verfolgt. Das sagt gar nichts aus. Eine Strategie besteht aus Bedingungen und Regeln. Sei es für Einstiege oder auch Ausstiege. Praktisch ein Workflow, mit dem man in jeder Phase des Marktes oder auch bei einzelnen Aktien weiß wann was zu tun ist.

Wenn Du nochmal in die Zeit von damals zurückreisen könntest, würdest Du dann anders handeln oder anders mit der Situation umgehen?

Alex: Für die Recherche meines Buches „Mein Weg zur finanziellen Freiheit*“ habe ich mir mal ausgerechnet, wie viel Jahre früher ich hätte finanziell frei sein können, wenn ich nach meiner Ausbildung meine Strategie angewandt hätte. Auch wenn das nur schwer berechenbar ist, so kam ich in meiner Berechnung auf gut 6 Jahre. Somit hätte ich meinen Kapitalstock von 2014 bereits 2008 erreicht. Gerade noch rechtzeitig vor der Finanzkrise. Aber das funktioniert leider nicht so einfach mit dem Wissenstransfer in die Vergangenheit.

Ich erlebe es immer wieder, dass ich versuche mein Wissen an jüngere Marktteilnehmer weiterzugeben. Aber es scheint dennoch nicht zu funktionieren. Daher glaube ich, wer sich nicht auf erfahrende Anleger einlassen kann oder will, der kommt nicht umhin, seine ganz eigenen Erfahrungen zu sammeln. Dazu gehört es dann auch 2-3 mal wieder aufzustehen, zu lernen und dann auch etwas an seiner Strategie zu verändern.

Welche Tipps kannst Du an die Investoren geben, die noch nie einen Crash erlebt haben?

Alex: In den vorherigen Fragen habe ich es schon angesprochen. Man sollte wirklich versuchen sich auf erfahrene Anleger einzulassen. Jemand der solche Phasen bereits mehrfach durchgestanden hat, finanziell in voller Blüte steht und grundsätzlich einen zufriedenen Eindruck macht, der wird genau wissen was zu tun ist.

Das zweite ist sich eine eigene Strategie zurecht zu legen. Also eine richtige mit allem drum um dran. Dazu kann man am Markt erprobte Strategien auch konsequent anwenden oder noch besser, diese weiter verfeinern und optimieren, ganz nach seinen individuellen Bedürfnissen.

Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview genommen hast. Ich denke, dass alle jüngeren Investoren von Deinen Erfahrungen im Crash profitieren können und dadurch ihre (mehr oder weniger vorhandene) Strategie nochmal überdenken werden.

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Über den Autor

Dominik Fecht

Ich bin Dominik und bilde Menschen im Thema Finanzen aus. Entweder durch diesen Blog, meinen YouTube-Kanal, meine beiden Bücher oder in meiner Live-Online-Ausbildung.

Ich helfe Menschen das Thema Finanzen durch einfache Erklärungen zu verstehen und ihr Geld in die eigenen Hände zu nehmen. Finanzbildung für ein selbstbestimmtes und glückliches Leben.

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  1. Hey Dominik!
    Danke für das Interview. Ich bin ja auch Anfängerin und erst seit diesem Jahr dabei. Es ist auf jeden Fall hilfreich, sich mit erfahrenen Leuten zu vernetzen und von ihnen zu lernen. Deswegen lese ich viel 🙂
    Aber auch wenn man versucht, die Fehler zu begrenzen, und begangene Fehler nicht zu wiederholen, glaube ich, macht man trotzdem die ein oder andere Sache falsch. Es ist irgendwie eine Sache, sich theoretisch alles anzueignen, und eine andere, emotional mit drinzustecken und daran zu wachsen. Beispiel: Bevor ich Aktien gekauft habe, habe ich mich monatelang erstmal theoretisch damit befasst. Aber irgendwann musste jetzt der Zeitpunkt kommen, selbst irgendwie einzusteigen, mit Fehlern oder ohne. Mit dem Einstieg bin ich jetzt „richtig“ dabei und kann sogar noch intensiver wachsen und lernen. Ich glaube, dieser Lernprozess hätte sich nicht intensiviert oder beschleunigt, wenn ich jetzt immer noch am Rand stünde und alles versuchen würde, „perfekt“ zu machen.
    Wie ich auf den Bärenmarkt reagiere, wenn er kommt, bin ich auch schon gespannt. Ich bin auch gespannt, wie das dann hier in den Finanzblogs gehandhabt und behandelt wird. Ich hoffe, die erfahrenen Investoren stehen uns dann auch mit Rat und Tat zur Seite 🙂
    Hälst du eigentlich auch Cash? (@Dominik)

    Viele Grüße 🙂
    Anna

    1. Hallo Anna,

      ich finde die Erfahrungen von anderen Investoren auch immer sehr hilfreich. Daher habe ich auch diese Interviewserie gestartet.
      Ich denke Theorie und Praxis sind beim Investieren auch extrem verschieden. Das ist so als hättest bisher 20 Bücher über das Autofahren gelesen und bisher noch keinen einzigen Meter mit dem Auto gefahren.
      Das theoretische Wissen ist zwar schön und gut, doch es bringt einem nichts oder kaum etwas in der Praxis. Manche Sachen (wie den Umgang mit den eigenen Emotionen im Crash) kann man halt nur wirklich in der Praxis lernen.

      Ich habe auch die Erfahrungen gemacht, dass man am allermeisten beim Machen in der Praxis lernt. Vorallem kommen dann auch Probleme auf, die man vorher gar nicht berücksichtigt hätte.
      Ich bin selbst voll investiert und halte nur auf meinem Konto eine kleine Notfallreserve von ein paar tausend Euro.

      Schöne Grüße
      Dominik

  2. Ich stimme voll zu und es wird auch in den Büchern immer wieder beschrieben: Wichtiger sind eigene Erfahrungen als theoretisches Wissen, man muss im Markt sein um zu verstehen, was die Psyche mit uns dann macht.
    In gewisser Weise kann man aber einen Crash nachempfinden, es gibt immer wieder mal paar kleine Korrekturen und das muss man sich wohl nur 10 x schlimmer vorstellen. Es ist dann auch die Frage, wie man selber oder mein Geldverwalter da agiert haben. Für einen Crash habe ich eine gehebelte Short Strategie auf die Indizes im Hinterkopf. Das habe ich 2017 perfekt getimt, daran kann ich mich noch gut erinnern, es war am 29.6: Das waren 144% in 2 Tagen mit einem Hebel von 80 :). Aber die nächsten Timings waren eher schlecht und aus diesen Fehlern muss ich lernen. DAs schöne an dieser Strategie ist, es nimmt die Angst heraus vor einem Crash, ich sehne sie gerade zu herbei, da man da so viel Geld machen kann und falls man auf der richtigen Seite des Marktes ist und nicht gelähmt, macht man weniger Fehler. Wobei…die Euphorie müsste dann um so gnadenloser sein.

    1. Wirklich nichts geht über echte Erfahrungen. Das ist um ein Vielfaches hilfreicher als theoretisches Wissen.
      Deswegen bin ich auch schon auf größere Korrekturen und Crashs gespannt.
      Mir fehlt da nach den ganzen Beschreibngen noch ein bisschen die Vorstellungskraft wie ein Crash ist, wenn man auf einen Schlag mehrere Monats- oder sogar Jahresgehälter verliert.

      144 % in zwei Tagen hört sich doch schon mal nicht schlecht an. Mit Hebeln wäre ich eher vorsichtig, weil das auch ganz leicht mal in die andere Richtung gehen kann. Das wichtigste ist, dass man sich der Risiken bewusst ist und weiß, was man tut.
      Dir weiterhin viel Erfolg an den Märkten.

      Schöne Grüße
      Dominik

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